Samstag, 2. Juli 2016

Wippbrücke

Die Schauenburg besaß eine damals sehr fortschrittliche Art der Zugbrücke – eine Wipp-Brücke

Ein Beitrag von Jörg Sommer

Die meisten mittelalterlichen Burgen hatten eine unmittelbar vor dem Tor einseitig gelagerte Zugbrücke, die mit Ketten hochgezogen werden musste. Diese Ketten liefen über Mauer-öffnungen links und rechts seitlich oben am Tor, in denen Rollen angebracht waren, und von dort ins Innere des Torgebäudes. Dort mussten an beiden Ketten jeweils mindestens drei Mann ziehen, um die schwere, aus Eichenbalken gezimmerte Zugbrücke hoch zu bekommen. Das hat kürzlich der Baustatiker Gerhard Hess ausgerechnet (Burgen und Schlösser, Heft 1/2016, S. 37 – 45). In einigen Burgen wurden die Ketten auch auf einem Wellenbaum aufgewickelt. Dieser konnte aber aufgrund der beengten Verhältnisse nur mit einem eingesteckten Hebel jeweils eine halbe Umdrehung bewegt werden – danach musste der Hebel umgesteckt werden, um die nächste halbe Umdrehung zu machen usw. Meist war aber gar kein Platz für einen Wellenbaum vorhanden, so dass wir davon ausgehen können, dass in den meisten Burgen die Zugbrücken wegen des großen Aufwandes nur im äußersten Notfall hochgezogen wurden, die Burg also bei einem Überraschungsangriff schlecht geschützt war.
Im 13. Jht. kam jedoch eine Innovation auf, mit der die oben beschriebenen Probleme mit einem Schlag gelöst wurden: Die Wipp-Brücke (siehe Zeichnung aus Otto Piper, Burgenkunde, S. 316). Diese Brücken wurden jetzt in der Mitte gelagert (wie eine Kinder-Wippe auf dem Spielplatz). Trotz ihres gleich großen Gewichtes wie die "normalen" Brücken konnte die Wipp-Brücke von nur einem Mann bedient werden. Der sonst über dem Burggraben liegende Teil verschloss beim Hochziehen das Tor, wie auch bei der herkömmlichen Zugbrücke. Die andere Hälfte allerdings, die in das Torgebäude hineinragte, musste nach unten schwingen können, weshalb hier ein sogenannter "Brückenkeller" erforderlich war. Ein solcher Brückenkeller ist am Außentor der Schauenburg deutlich zu sehen (siehe Foto). 
In dem Modell im Heimatmuseum Dossenheim ist die Schauenburg allerdings noch mit der herkömmlichn Zugbrücke und zwei Tortürmen dargestellt. Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil Tortürme fast immer einen regulären kreisrunden oder quadratischen Grundriss hatten, was in der Ruine offensichtlich nicht der Fall ist. Das stärkste Argument für eine Wippbrücke ist aber der Brückenkeller.                                                                                                           

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen